Fahraktiver Dreirad-Bolide, für den die Passstraße das natürliche Revier ist: Der Spyder F3 von Can-Am.
Fahraktiver Dreirad-Bolide, für den die Passstraße das natürliche Revier ist: Der Spyder F3 von Can-Am. (© Can-Am)
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Testride Ryker und Spyder von Can-Am: Drei Räder für ein Halleluja
08.04.2022

Mit Spyder und Ryker schickt die kanadische Marke Can-Am besondere Konzepte und dreirädrige Alleinstellungsmerkmale auf die Straßen dieser Welt. Wir haben die Boliden ausgiebig getestet. Und durften, ja mussten konstatieren: Ein zusätzliches Rad ist manchmal wirklich mehr.

Dreiradroller vom Schlage eines MP3 von Piaggio oder eines Peugeot Metropolis sind im Straßenbild inzwischen einigermaßen geläufig. Martialische Trikes mit dem altgedienten VW-Käfer-Boxer oder modernen Vierzylindermotoren – etwa aus der Hand des deutschen Fertigers Rewaco – streifen gerade in der schönen Jahreszeit bisweilen in wahren Großrudeln durch die einschlägigen Kurvenreviere. Die beiden Straßendreirad-Gattungen Ryker und Spyder der kanadischen BRP-Konzernmarke Can-Am, für die man, um sie legal bewegen zu dürfen, eine gültige Pkw-Fahrerlaubnis braucht, zählen hingegen noch zu den Exoten im hiesigen Verkehrsgetümmel. Die Zulassungszahlen wachsen seit dem Debüt des Konzepts 2016 zwar beständig, mit dem Einsortieren in gängige Fahrzeugkategorien tun sich alle Beteiligten – Anbieter wie Rezipienten – allerdings noch immer leidlich schwer. Kein Dreiradroller, kein Trike – was sind Ryker und Spyder denn nun? Wo der anglophile Kenner genüsslich die Rubrik „Powered Three-Wheeler“ ins Spiel bringt, mögen wir uns – so viel vorweg – lieber auf den Charakter der Fahrzeuge als auf einen der deutschen Zunge genehmen Gattungsbegriff festlegen: Can-Ams Ryker wie Spyder sind zweifellos Spaßgeräte der besonderen Art, fahraktive Boliden, die kein noch so anspruchsvolles Terrain scheuen müssen.

Kurvenräuber par excellence
Zu unserem grundlegenden Urteil gekommen sind wir nach ausgiebigen Testrunden in dem an Kurven und Passpassagen überreichen Terrain der Provenzalischen Alpen. Dort, im mittelgebirgigen bis hochalpinen Hinterland der berühmten Côte d’Azur mit den Glamour-Hochburgen Cannes und Nizza, machten die mit reichlich Power aus ihren Hubraum-beseelten Reihentriebwerken ausgestatteten Straßenräuber eine überaus gute Figur. Der niedrige Schwerpunkt, gepaart mit einer extrem breiten Spur an der Vorderachse, vermittelt ein Gripgefühl, von dem Motorradfahrer – ja, diesem Fakt müssen wir uns tapfer stellen als überzeugte Biker – nur träumen können. In besagtem Fahrrevier, geprägt von steilen Auffahrten, engen Kehren, häufigen Richtungswechseln, multiplen Straßenbelägen, verleitet das Can-Am-Konzept nur allzu oft zum hochengagierten Ritt: Sehr spätes An-, eher ein in die Kurven Hineinbremsen, ehe es dann gilt, den Hahn möglichst früh am Scheitelpunkt wieder aufzumachen, um im beginnenden oder vollzogenen Slide aus dem Turn herauszubeschleunigen. Ein süchtig machendes Prozedere, dem die verbauten elektronischen Helferlein wie Stabilitäts- und Traktionskontrolle nicht übereifrig einen Riegel vorschieben.

Das schnell eingeübte Zusammenspiel von Gashand und Bremsfuß unterstützt solch wildes Treiben. Die einzige Bremsbetätigung für Ryker und Spyder findet sich am rechten Fuß in Gestalt eines üppig dimensionierten Bremspedals, das auf alle drei Brembo-Bremsen gleichzeitig wirkt und von einem nicht allzu früh eingreifenden ABS flankiert wird, während man – wie beim Motorrad – die Kraftzufuhr mit der rechten Hand per Drehgriff dosiert. Das üppige Lenkerwerk des Can-Am-Dreirads – beim Spyder übrigens servounterstützt – will beherzt geführt werden, weil man eben, wie vom Motorrad gewohnt, mit Gewichtsverlagerung nicht eben weit kommt. Doch den Dreiklang von engagiertem Lenken, dezentem Bremsen, fulminantem Gasgeben hat man schnell intus – zumal der Fahrer in seiner Choreografie von unzähligen Verstellmöglichkeiten an Fußrasten (Ryker) bzw. Trittbrettern (Spyder) profitieren darf, die Can-Am ab Werk mitgibt.

Echte Typen: Ryker und Spyder
Wagen wir noch einen Blick auf das aktuelle Sortiment von Can-Am in Sachen Dreirad. Der Ryker fungiert gleichsam als Toröffner in den Onroad-Kosmos von Can-Am. Neben dem Basismodell – mit 600-er-Zweizylinder oder 900-Kubik-Reihendreizylinder (37,3 kW/50 PS bzw. 61,1 kW/82 PS) ab knapp über 10.000 Euro orderbar – kann der Kunde auf den Ryker Rally setzen, der für den robusteren Einsatz steht und beispielsweise mit weiß lackierten Alufelgen protzt, wie sie einst den legendären Lancia Delta Integrale zierten. Dazu kommt eine im Vergleich zu den Mit-Rykern erhöhte Bodenfreiheit und viele weitere Details. Ganz neu für 2022 bringt Can-Am den Ryker Sport, der mit einem vielfach verstellbaren KYB-Fahrwerk glänzt und – eine Premiere bei diesem Modelltyp – einen Tempomaten mitbringt. Beide, Rally wie Sport, werden ausschließlich vom größeren 900-er Motor befeuert. Sämtliche Aggregate für Can-Ams Dreirad-Bande stammen im Übrigen von dem vor Jahren in den BRP-Konzern „eingemeindeten“ österreichischen Traditionshersteller Rotax.

Can-Ams Spyder-Familie kennt indes zwei verschiedene Grundtypen: Den Cruiser Spyder F3 (ab gut 20.000 Euro) und den Volltourer Spyder RT (ab rund 30.000 Euro), beide gesegnet mit einem souveränen, von einer Sechsgang-Halbautomatik bewirtschafteten 1.330-Kubik-Reihendreizylinder, der 85,8 kW/115 PS via Zahnriemen ans Hinterrad liefert. Beide Linien erhalten in dieser Saison Zuwachs in Gestalt des Spyder F3-S Special Series sowie des F3 Limited Special Series, die mit vielen Komfort- und Sportfeatures glänzen. Bei den Tourern wurde das 2021 eingeführte Spitzenmodell Can-Am Spyder RT Sea-to-Sky nochmals im Detail überarbeitet und bringt unter anderem verstellbare Windabweiser, neue Räder und frische Farben mit.

An wen adressiert Can-Am seine Dreiräder denn nun?
Auf eine scharf umrissene Zielgruppen-Definition wollten sich die Can-Am-Verantwortlichen nicht einlassen. Man ließ aber wissen, dass nicht wenige Kunden dazuzählten, die aufgrund ihrer Pkw-Lizenz nicht aufs Motorrad dürften, sich nichtsdestotrotz an das Look-and-Feel heranwagen wollten. In Nordamerika etwa seien 50 Prozent der Ryker-Treiber Neueinsteiger. Eine weitere Teil-Community sei definitiv weiblich, hieß es. Beziffern wollte man das für den deutschen Markt zwar ebenfalls nicht, lieferte aber wiederum einen Blick über den großen Teich: In Nordamerika seien 33 Prozent der Ryker-Besitzer Frauen, was weit über dem Branchendurchschnitt liege, die On-Road-Gemeinschaft umfasse dort schon mehr als 10.000 „Wind Sisters“.

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