Testfahrt mit der Voge 500 AC: Klassisch gut
11.08.2022
Sie tritt im Neo-Retro-Segment an, gibt sich optisch und technisch aber durch und durch modern. Wir erlebten bei unserem Testride der neuen Voge 500 AC dennoch ein Bike mit ganz klassischen Tugenden.
Sogenannte Neoklassiker, moderne Bikes in mal klar, mal weniger klar erkennbarer Retro-Verschalung, feiern derzeit fröhliche Urständ – gerade in der unteren Mittelklasse. Denn die erweist sich aufgrund ihrer technischen Kennfelder als A2- und damit potenziell Stückzahlen-tauglich – und wird entsprechend engagiert bewirtschaftet von den maßgeblichen Akteuren auf Hersteller- und Handelsseite. Brixton etwa hat mit der Crossfire 500 ein solches Fahrzeug im Fundus, bei SWM heißt ein entsprechender Kandidat Ace of Spades 500, Benelli schiebt seine Leoncino 500 bereits seit mehreren Jahren erfolgreich ans Startgitter. Und nun stößt auch die junge Motorradmarke Voge, hierzulande vertrieben über die Handelspartner des Weidener Importeurs MSA GmbH, auf dieses Gebiet vor: In Gestalt der 500 AC. Wir haben uns das adrett gezeichnete Bike mal etwas näher angeschaut.
Voge, eine Zweiradmarke des bislang in Europa vorrangig als Auftragsfertiger unter anderem für BMW in Erscheinung getretenen chinesischen Hersteller-Giganten Loncin, tummelt sich vorerst im Hubraumbereich von 300 bis 650 Kubik – und setzt dabei auf komplett selbst entwickeltes, solides Material mit Ein- und Reihenzweizylindern. Das Triebwerk der 500 AC, ein ebenso munterer wie diszipliniert agierender Parallel-Twin mit 471 Kubik Hubraum, 34,5 kW (47 PS) Leistung und einem Drehmoment von 44,5 Nm, bildet dann auch den charakterlichen Kern eines Fahrzeugs, dem – so durften wir im Rahmen unseres Testrides feststellen – jegliche Allüren abgehen, dessen Bedien-Philosophie sich vielmehr auf eine simple Formel reduzieren lässt: Draufsetzen, verstehen, losfahren, Spaß haben. Bei der 500 AC heißt das: Schlüssel drehen, Startknopf drücken, Gang einlegen, losrollen. So einfach, so gut. Und ein wohltuender Erlebensmoment in Zeiten, in denen schlüssellose Startprozeduren bisweilen zu komplizierten Orchestrierungen aus Transponderbefehlen, Smartphone-Moves, Schalterbewegungen und Menüklicks ausarten. Zwar lässt sich auch bei der Voge mittels Bluetooth das eigene Mobilgerät ins Cockpit einbinden, auf allzu große Tiefe der Interaktion allerdings legten die Voge-Elektroniker – man möchte fast schon sagen: Gott sei Dank – keinen Wert.
Solide Hardware
Kommen wir auf das Fahrerlebnis zurück. Ab dem ersten Meter darf sich der Voge-Pilot in Sicherheit wiegen, sich mit dem munter anziehenden, niemals überfordernden Aggregat der 500 AC, das von einem butterweich und beinahe geräuschlos zu schaltenden Sechsgang-Getriebe bei Laune gehalten wird, jeder Verkehrssituation gegenüber gewappnet fühlen. Beim Fahrwerk, ausgerüstet mit Komponenten des renommierten Herstellers Kayaba – vorne werkelt eine 41-Millimeter-Upside-Down-Gabel, hinten ein über Umlenkhebel angesteuertes Zentralfederbein –, gelang den Voge-Technikern eine blitzsaubere Abstimmung. Im Verein mit den bestens greifenden, viel Eigendämpfung liefernden Serienpneus von Pirelli („Angel GT“) gelingt stets eine saubere Linie und stabile Fahrt, selbst wenn die Fahrbahn Unbill in Form von Spurrillen oder Bodenwellen bereithält. Schnellen Richtungswechseln folgt die Voge äußerst willig, beinahe gierig, selbst engste Kehren nimmt das Bike gelassen. Bei der Bremsanlage von Nissin, an der Front mit 298-er Doppelscheibe agierend, setzt sich die Unkompliziertheit im Erleben indes nahtlos fort. Die Ankeranlage lässt sich hervorragend dosieren, bei Bedarf ordentlich rannehmen, das Bosch-ABS greift erst spät ins Geschehen ein. Ein dickes Plus.
Ein Wort noch zur Ergonomie: Bei einer Sitzhöhe von verträglichen 810 Millimetern dürfen sich Fahrer eines breiten Größenkorridors gut ins Fahrzeug eingebunden fühlen, der breite Lenker liegt gut in der Hand, die Hand-Hebeleien lassen sich mehrfach verstellen, mit der Rangierfähigkeit ist es bestens bestellt. Lediglich den Sitzbank-Bezug erlebten wir als über Gebühr rutschig, vor allem für notorische Jeans-Fahrer ein Thema, das des Gegensteuerns bedarf.
Unser Fazit:
Mit der 500 AC ist Voge ein solider Wurf gelungen. Außer bauchigem Tank und angedeutetem Rundscheinwerfer lassen sich zwar nur wenige echte Retro-Reminiszenzen an ihr entdecken. Den Umgang aber mit dem Bike, sein Fahr- und Bremsverhalten, seine Manövrierfähigkeit, seinen gesamten Charakter erlebten wir als wahrlich klassisch, nämlich klassisch-gut.