Wir wollten wissen, ob das erst vor Kurzem zur Familie gestoßene Leichtkraftrad Leoncino 125 sein Scherflein zum gelungenen Markenauftritt des wiedererstarkten Herstellers Benelli beitragen kann. Was kann das Achtelliter-„Löwelchen“?
Wir wollten wissen, ob das erst vor Kurzem zur Familie gestoßene Leichtkraftrad Leoncino 125 sein Scherflein zum gelungenen Markenauftritt des wiedererstarkten Herstellers Benelli beitragen kann. Was kann das Achtelliter-„Löwelchen“? (© Benelli)
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Testfahrt mit der Benelli Leoncino 125: Charakter-Kätzchen
17.11.2022

Der Modellname „Leoncino“ – Italienisch für „kleiner Löwe“ – gewinnt bei der unter chinesischer Regie wiederauferstandenen italienischen Traditionsmarke Benelli wieder an Gewicht und Klangvolumen. Uns hat interessiert, ob das erst vor Kurzem zur Familie gestoßene Leichtkraftrad Leoncino 125 sein Scherflein zum gelungenen Markenauftritt beitragen kann. Also aufgesessen auf das Achtelliter-„Löwelchen“.

In den Glanzzeiten Benellis in den unmittelbaren Nachkriegsjahren trug der Modellname „Leoncino“ nicht wenig zum Aufstieg des Herstellers in die Phalanx großer italienischer Zweiradfertiger bei. Nach langen Jahren der Verbannung streift heute wieder ein ganzes Löwenrudel durch die einschlägigen Motorradreviere – in insgesamt fünf Modellvarianten in den Segmenten Leichtkraftrad (Leoncino 125), Kraftrad-Mittelklasse (Leoncino 500) sowie obere Mittelklasse (Leoncino 800). Wir haben uns mit dem zartesten Geschöpf der Rasselbande, der Leoncino 125, mal etwas näher befasst.

Starker Auftritt
Benellis kleinstes Löwenjunges orientiert sich am Scrambler-artigen Erscheinungsbild der größeren Geschwister, trägt eine markante Rückenpartie mit harmonisch ausmodellierter Tank-/Sitzbank-/Heck-Kombi zur Schau, die im Verein mit Chassis, Motor und Anbauteilen eine durchaus spektakuläre Silhouette erzeugt. Wenn man sich dann noch für die nach unserem Dafürhalten sehr gelungene Farbkomposition aus einem satt-matten Dunkelgrün mit Schwarz entscheidet, wie wir das getan haben, steht dem charmant kernigen Auftritt kaum etwas im Wege. Das Sitzmöbel, das dem Fahrer mit einer zu erklimmenden Höhe von knapp 800 Millimetern nicht allzu viele Steigerqualitäten abverlangt, geriet indes bequem und formstabil, zudem rutschfest – und ermöglicht im Zusammenspiel mit einem weit oben positionierten, breiten Lenker eine aufrechte Sitzposition, die für entspanntes Fahren und Übersicht steht. Gleichwohl lässt sich mit leichter Gewichtsverlagerung des Oberkörpers flugs eine Vorderrad-orientierte Fahrerhaltung einnehmen, die forschere Kurvenhatzen unterstützt.

Motor und Getriebe: Solide
Trotz der zwei bis drei Pferdchen, die nominell zu anderen Wasserkühlern in der Klasse fehlen, zieht das 12,8-PS-Aggregat des Löwenjungen durchaus recht munter und engagiert an, bis die Elektronik dem (Über-)Treiben kurz vor 10.000 U/min jäh Einhalt gebietet. Die Leistungsabgabe-Charakteristik beschert dem Leichtkrad eine Performance, die auf einem guten, soliden Klassenniveau liegt. 110 km/h auf der Geraden sind jedenfalls immer drin, ohne dass man Körper-Origami hinter dem Lenker zu praktizieren gezwungen wäre. Schalten lässt sich die Benelli ohne große Hand- und Fuß-Bedienkräfte, ja: mit klarem mechanischen Feedback, aber doch stets blitzsauber einrastenden Gängen. Auch die Abstimmung der einzelnen Stufen erscheint gelungen, Durchzugslöcher gab’s jedenfalls keine. Die Auspuffanlage wirkt auf den ersten Blick unscheinbar, entwickelt aber ab gut 3.500 bis 4.000 Umdrehungen eine derart ambitionierte Geräuschkulisse, dass man meinen möchte, man hätte viel mehr Hubraum unter dem Gesäß. Gut gebrüllt, kleiner Löwe! Bei zurückhaltender Gashand indes beschränkt sich der akustische Output auf ein gehör- wie umweltzuträgliches Schnurren.

Fahrwerk und Bremse: Auf der Höhe
Gut dosierbar, gut zupackend, kein lästiges Fading entwickelnd, so präsentierte sich die mit Einzelscheiben – vorne 280, hinten 220 Millimeter durchmessend – bestückte Bremsanlage der Leoncino. Mit der Fahrzeugmasse – gut 145 Kilo fahrbereit – kommt das Ankerwerk bestens zurecht, auch wenn kein ABS, dafür das ohne Beanstandung agierende, obligatorische CBS-System zur Verfügung steht.

Das Fahrwerk erwies sich als sauber abgestimmt, lieferte einen hervorragenden Kompromiss zwischen Komfort und Agilität, die Komponenten (USD-Gabel, direkt angelenktes Zentralfederbein) zeigten Nehmerqualitäten. Insgesamt wirkte das Bike auf engen, winkligen Parkouren recht wach, spritzig und einlenkwillig. Und auch in der Disziplin Geradeauslauf erlaubte sich der kleine Löwe keine Schwäche. Überraschung: Die ab Werk montierten 17-Zöller des Maxxis-Ablegers CST (Typ „CM-NK01“) wirkten auf uns sehr erwachsen, lieferten guten Grip, präsentierten sich stabil und bestens eigengedämpft.

Das LC-Display der Leoncino ist zwar nicht der Technik letzter Stand, dafür aber gut ablesbar und agiert interpretationsfrei in der Auslieferung aller notwendigen Fahrzeuginformationen. Sehr löblich: Sogar eine Ganganzeige ist an Bord. Das rundum verbaute LED-Licht leuchtet das Geschehen rund ums Motorrädchen verlässlich aus.

Unser Fazit:
Benellis Achtelliter-Leoncino geriet auf Anhieb zu einem vollwertigen Rudelmitglied. Solider Antrieb, gute Ausstattung, spektakuläre Optik, dazu noch ein handlicher Preis (UVP: 3.699 Euro inkl. Überführung) – in seinen Kernattributen weiß sich der kleine Löwe gekonnt in Szene zu setzen.

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