Test Hyosung GV 125 S Aquila: „Einfach eine coole Maschine“
06.09.2021
Ein Zweizylinder-V-Motor in einer 125-er? Gibt’s tatsächlich. Der koreanische Hersteller Hyosung scheut keinen Aufwand, um den V-Twin im Herzen seines aktuell einzigen Modells im Achtellitersegment, dem Cruiser GV 125 S Aquila, als Ausnahmeerscheinung, das gesamte Bike als „Mean Machine“ in Szene zu setzen. Doch was hält man in der Zielgruppe von dem kleinen Gernegroß aus Fernost? Eine ganze Menge, wie die Fahreindrücke unserer 21-jährigen Testfahrerin Lina unterstreichen.
Die Empfindung nach der ersten Begegnung? „Optisch kommt sie fast ein bisschen amerikanisch – ein bisschen im Harley-Davidson-Style – daher. Alles schwarz. Mattschwarz. Dicke Reifen – wow!“, schwärmt unsere Test-Riderin, die sich bei der Wahl ihres Outfits der Bike-Optik beinahe intuitiv angepasst hat: Schwarze Montur, schwarzer Helm. Die Sitzprobe? Lässt sich ebenso gut an. Lina spontan: „Niedriger, sehr komfortabler Fahrersitz, gute Lenkerhöhe. Gefällt mir! Bei meinen 1,70 Meter Körpergröße passt die Sitzhöhe der Hyosung optimal.“ Den mächtigen, ovalen Luftfilterkasten, den Hyosung im Harley-Stil auf der in Fahrtrichtung rechten Seite in das Zylinder-V platzierte, empfindet Lina, die im wahren Leben auf einer deutlicher konservativer gezeichneten Einzylinder-125-er eines japanischen Volumenherstellers unterwegs ist, zwar als „sehr ausladend“ – er ragt weit nach außen und zwingt das rechte Bein in einen entsprechend größeren Abspreizwinkel. Doch Lina zeigt sich gnädig – oder ganz Frau: leidensfähig: „Das ist sicher dem Design geschuldet.“
„Sicheres Gefühl“
Der Stand- folgt die Fahrprobe. Die Hyosung-Newcomerin findet sich auf Anhieb zurecht. Keine Rätsel bei den Bedienelementen. „Positiv fällt mir das sehr übersichtliche digitale Display auf, so dass man alles im Blick hat, was wichtig sein könnte“, so Lina. Die Ergonomie stimmt jedenfalls. Nach ein paar kurzen Eingewöhnungsschwüngen werden die Moves gewagter, steigt die Dynamik sichtlich. Das ist vor allem dem Chassis geschuldet. Lina bestätigt: „Beinahe sofort stellte sich bei mir ein sehr sicheres und entspanntes Fahrgefühl ein.“ In der Tat zeigt sich das Fahrwerk der Aquila – vorne mit einer hydraulischen Teleskopgabel, hinten mit zwei klassischen Federbeinen ausgerüstet – bestens vorabgestimmt und in der Lage, in Zusammenarbeit mit den gut haftenden Serienreifen von Timsun (vorne 16, hinten 15 Zoll) eine gute Verbindung zum Fahruntergrund herzustellen.
Langer Radstand, langer Nachlauf – steht eigentlich für soliden Geradeauslauf, bei der Aquila heißt das aber auch: Ein sehr waches, lebendiges und direktes Gefühl am Kommandostand. „Die Hyosung lässt sich sehr einfach lenken – trotz ihres eher bulligen Aussehens“, so das Fazit der Aquila-Amazone, die einzig etwas mit dem Schalthebel haderte. In der Tat lohnt es sich, Zeit zu investieren, um das in einem breiten Bereich einstellbare Schaltgestänge richtig abzustimmen, da der Hebel sonst vielleicht etwas zu weit oben sitzt. Ist die Idealposition aber erst einmal gefunden, lässt sich das Fünfgang-Getriebe butterweich und ohne Geräuschkulisse bedienen.
Das Sahnestück der Aquila ist zweifellos ihr 60-Grad-V-Twin mit insgesamt 124,7 Kubikzentimetern Hubraum. Obwohl man bei Hyosung das Leistungslimit der Klasse von 11 kW (15 PS) nicht ganz ausschöpfen mochte – das wassergekühlte Triebwerk liefert nicht ganz 14 PS (9,9 kW) aus –, zieht das Motorrädchen munter an und ist auf der Geraden auch bei Gegenwind für das Landstraßenlimit von 100 km/h gut. Faltet man sich auf dem Tank zusammen, darf’s dann auch durchaus etwas mehr sein.
„Den Sound des Motors würde ich als absolut satt bezeichnen“, unterstreicht unsere Testfahrerin, die auf der Aquila ein insgesamt sehr ruhiges, wenige Vibrationen vermittelndes Fahren erlebte. Um die drei Liter für 100 Kilometer genehmigte sich der Cruiser auf unserem Testride, was bei 12 Litern Tankvolumen eine saubere Reichweite garantiert.
Beste Noten gab's für die Anker der Aquila. „Das Bremsverhalten ist tadellos“, fasst Lina ihre Eindrücke zusammen. Ein ABS-Gehilfe ist zwar nicht an Bord, allerdings lassen sich die vordere (270 mm-)Scheibe wie auch ihr Heck-Pendant (250 mm), die via CBS vernetzt sind, blitzsauber dosieren und feinfühlig ansteuern – und bei Bedarf auch mächtig zusammenstauchen.
Linas Fazit:
Hyosung darf sich rühmen, ein stimmiges Gesamtkunstwerk auf die Räder gestellt zu haben – was Optik und Proportionen anbelangt, was Verarbeitungsgüte und Qualität der verwendeten Bauteile angeht, was Leistungscharakteristik und Fahrverhalten betrifft. Das Besondere an der Aquila aber ist ihr Flair, ihr Charme, die Anmutung, die sie vermittelt. „Einfach eine coole Maschine – gerade für Bikerinnen“, meint Lina. Zu haben für faire 3.799 Euro (zzgl. Überführung).