Pan America 1250: Harleys Attacke auf BMW
23.02.2021
Die US-Boys wollen’s wissen. Mit der soeben vorgestellten Reiseenduro Pan America wagt man die direkte Konfrontation in BMWs Dauer-Bestseller-Kosmos rund um die R 1250 GS. Von schwerfälligem Eisen lässt sich angesichts der vorgelegten Harley-Daten überhaupt nicht mehr sprechen. Günstiger als die GS ist die Pan America auch. Und stärker.
Die reine Datenlage spricht schon einmal für die Harley. Preislich bewegt sie sich klar unterhalb des Gefüges, das BMW bei der großen GS anlegt: 15.995 Euro (zuzüglich Transport- und Aufbaupauschale in Höhe von 560 Euro) lautet der Grundpreis für die Pan America. Zum Vergleich: BMW preist die Basis-GS mit 16.580 Euro (zzgl. Fracht und Verpackung) ein. Und auf der besser ausgestatteten Top-Variante, der Pan America 1250 Special, darf Platz nehmen, wer mindestens 17.995 Euro (ebenfalls zuzüglich Nebenkosten von 560 Euro) hinblättert. BMW will für die Adventure-Variante der großen GS mindestens 18.130 Euro (zzgl. Nebenkosten) überwiesen haben. Ab Juni soll die Pan America laut Harley bei den Händlern stehen.
Auf Motorenseite macht Milwaukee ebenfalls eine Ansage. In den Pan Americas steckt ein neuer, 112 kW (152 PS) starker, flüssigkeitsgekühlter V-Twin mit 1.250 Kubikzentimetern Hubraum namens „Revolution Max 1250“, der mit den versammelten Gewichten keine Mühe haben dürfte. Harley gibt die fahrfertige Masse (inkl. Betriebsstoffe) der Pan America 1250 mit 245 Kilo an (BMW R 1250 GS: 249 Kilo), die Pan America 1250 Special kommt laut Hersteller auf 258 kg (BMW R 1250 GS Adventure: 268 Kilo). Die Mär vom „schweren Eisen“ ist bei Harleys Einstieg in das lukrative Reise-Segment also schon einmal passé. Möglich wurde dieser für Harley-Verhältnisse superschlanke Auftritt durch die Rolle des neuen Triebsatzes als tragendes Element im Pan America-Gefüge.
Semiaktives Fahrwerk
Interessant ist auch ein Blick auf das elektronisch einstellbare, semiaktive Fahrwerk der Pan America 1250 Special, für das Harley die Software in Eigenregie entwickelt hat. Die Hardware stammt vom japanischen Fahrwerksspezialisten Showa – in Gestalt einer Upside-down-Gabel mit 47 Millimetern Standrohrdurchmesser an der Front und einem Zentralfederbein mit elektronisch geregelter Vorspannung am Heck, das die Schwinge über ein progressives Hebelsystem gegen den Heckrahmen abstützt. Eine Beladungsregelung (Vehicle Loading Control System) registriert das Gewicht von Fahrer, Beifahrer und Gepäck und passt laut Hersteller die Federvorspannung des hinteren Federbeins automatisch an. Auch auf die Fahrzustände passen sich die Federelemente selbsttätig an. Mit fünf voreingestellten Fahrmodi kann der Fahrer zudem seine Grundbedürfnisse einbringen.
Ein Novum im Zweiradbereich ist indes eine automatische Fahrwerksabsenkung (Adaptive Ride Height, ARH), die Harley-Davidson für die Pan America 1250 Special aufpreispflichtig anbietet. Das System soll dafür sorgen, dass das Fahrwerk zum Anhalten automatisch abgesenkt und nach dem Anfahren auf die optimale Position für den Fahrbetrieb wieder angehoben wird. Die Absenkung beträgt – je nach der automatisch eingestellten Federvorspannung am Hinterrad – 25 bis 50 Millimeter, verspricht man in Milwaukee. Die Special protzt darüber hinaus mit vielen weiteren Features, die es bei der Basis-Version nicht gibt, etwa mit einem Motorschutz aus Alu, Schutzbügeln oder einem werkzeuglos einstellbaren Fußbremspedal.
Es ließe sich noch viel über das Ausstattungsniveau der Pan America schreiben, etwa über ihre Brembo-Bremsanlage, ihren TFT-Touchscreen im Cockpit samt integriertem Navi, die (im Design gewöhnungsbedürftige) LED-Lichtanlage, die in der Special mit integrierter Kurvenausleuchtung aufwartet, oder über das immens breite Zubehörangebot, mit dem Harley den Marktstart der Pan America flankiert. Wir lassen es an dieser Stelle aber mal gut sein und geben den Stab dafür lieber an die kompetente Händlerschaft des Herstellers weiter, die sicherlich gerne die unendlich vielen Details zu den neuen Modellen erläutern wird.
Unser erster Eindruck:
Die US-Mannschaft um ihren deutschen Captain Jochen Zeitz meint es ernst. Sein Debüt im für Europa (und gerade für Deutschland) maßgeblichen Reiseenduro-Segment trägt Harley überaus ernsthaft vor, stellt ganz viel innovatives Motorrad zu marktgerechten Preisen ins Rampenlicht, schneidert in Sachen Zubehör ein Paket, das jedem Anspruch und Budgetwillen standhält. Das Konzept Pan America zeigt sich – zumindest auf dem Papier – als durchaus geeignet, BMWs Bestseller-Kosmos gefährlich zu werden. Zumindest eines aber dürfte die Harley-Strategie ganz sicher bewirken: Die Münchner werden sich bei der Weiterentwicklung ihrer Cash-Cow sicher nicht lumpen lassen. Die Schlacht ist eröffnet.