Branche

Neuer Deutschland-KTM-Chef im Interview: Christoph Wolf will Vertrauen zurückgewinnen
08.10.2025

Seit 1. Juli 2025 ist Christoph Wolf im Amt der Geschäftsleitung bei der KTM Sportmotorcycle Deutschland GmbH, Anfang September war der sympathische Wiener bei uns zu Gast in der Redaktion der World of Bike.

Christoph Wolf lebt die Marke KTM – auch wenn er erst vor sechs Jahren aus der Automobilbranche in die Zweiradwelt wechselte. Aktuell pendelt der zweifache Vater zwischen Wien, Mattighofen und seinem Hauptsitz in Ursensollen. Auch wenn er noch nicht lange in seiner jetzigen Tätigkeit beschäftigt ist, so bekam er die Unruhen innerhalb der KTM-Familie mit, damals noch als Sales Manager bei CFMoto. „Die Kommunikation sowohl intern als auch extern ist sicher nicht perfekt verlaufen, das hätten wir uns sicherlich alle etwas anders gewünscht.“ Der Einstieg in seine neue Position verlief dafür reibungsloser, da er bereits Mitarbeiter und viele Händler kannte. Gleich zu Beginn des Gespräches merkt man, dass hier jemand sitzt, der vieles aufräumen muss, aber auch bewegen möchte. In seiner neuen Rolle sieht er sich als Übersetzer zwischen den Händlern und dem Headquarter – und regelmäßiges Joggen und Rennradfahren helfen ihm dabei einen klaren Kopf zu behalten: „Wir dürfen nicht mit Scheuklappen durch die Welt laufen, sondern müssen jetzt gezielt auf die Bedürfnisse unserer Händler eingehen – das haben wir aus der Vergangenheit gelernt.“

Herr Wolf, zum Amtsantritt im Juli fanden an vier Standorten Händlerforen statt. Wie haben Sie diese aufgenommen?
Mir war es wichtig, den Händlern die Möglichkeit zu geben, sich zu äußern. Ihnen zuzuhören, wo die Problematiken liegen, welche Schwerpunkte überwiegen und welche Dynamik allgemein herrscht. Mit diesem Feedback bin ich zuallererst zum Vorstand gegangen, um die aktuellen Punkte zu betrachten. Die Diagnose ist nun perfekt, die Therapie ist der nächste Schritt, und wird über die nächsten drei Jahre implementiert werden.

Wie sieht aktuell die Stimmung in der Belegschaft aus?
Unsere eigenen Mitarbeiter vertrauen uns nicht mehr in vollem Maße in dem, was wir tun. Der deutschen Niederlassung ging es genauso wie der ganzen Welt, denn wir waren schlecht informiert. Deshalb gilt nun als einer der wichtigsten und zentralen Punkte offen zu sein, zielgerichtet und gerecht. Wir möchten die Verunsicherung nehmen und sind sehr konkret geworden, wo der Weg in den nächsten drei Jahren hingeht. Wir sind sicherlich erst noch am Anfang, aber der Informationsaustausch steigt.
Sie und Herr Simmer sind gemeinsam in der Geschäftsleitung. Wie sind hier die Aufgaben verteilt?
Ich teile mir das Amt mit Fabian, aber das Operative liegt mit 100-prozentiger Verantwortung bei mir. Fabian ist für den europäischen Vertrieb und speziell Spanien zuständig. Wir kommen beide aus der Automobilbranche und sind im täglichen Austausch. Wir unterschreiben zwar alles gemeinsam, ich bin aber das Gesicht für den Handel in Deutschland.

Welche konkreten Maßnahmen werden ergriffen, um das Vertrauen der Kunden und der Händler zurückzugewinnen?
Durch mehr Transparenz möchte ich die Händler wieder ins Boot holen – sicherlich wird auch die nächste Zeit nicht nur Schönes mit sich bringen, und man wird hier und da einen Rückschlag erleben, aber das Vertrauen der Händler müssen wir uns wieder erarbeiten und zeigen, dass KTM noch lebt – und dann vertraut uns auch der Kunde wieder. Das war uns auch wichtig während der Händlerkonferenz - zu zeigen, dass wir sie verstehen, aber auf der anderen Seite auch um Verständnis zu bitten. Wenn ich morgen KTM verlasse, dann gehe ich - ein Händler aber hat sein Herz und Blut jahrelang in sein Geschäft gesetzt, da hängen Banken dran, Familien, Mitarbeiter – dieser Verantwortung sind wir uns bewusst und möchten alles Nötige in die Wege leiten, damit unsere Händler wieder Gewinne erzielen.

Seit Ende Juli laufen die Produktionsbänder wieder, wie sieht die Lieferkette aus?
Seit Juli liefern wir verstärkt aus der Produktion aus Indien, speziell die 125er und 390er Duke. Seit Mitte August nimmt auch die Produktion in Mattighofen Fahrt auf, und wir können demnächst von hier aus ausliefern.

Wie stellen Sie sicher, dass Lieferfähigkeiten, Ersatzteile und Service in Zukunft verlässlich gewährleistet sind?
Wir müssen ein Verständnis für den Händler von heute entwickeln. Es gibt drei große Punkte, die wir angehen werden, und darunter fällt auch die schlechte Ersatzteilzulieferung, damit die Schmerzen des Händlers weniger werden. Als zweites müssen wir unkomplizierter werden, Servicepersonal aufstellen, die der Händler erreichen kann. Und als dritter Punkt möchte ich eine homogene Händlerlandschaft mit Rahmenbedingungen in der auch die Restwerte passen.

Aktuell steht nicht das Wachstum, sondern das Vertrauen im Vordergrund. Was sind für Sie konkret die wichtigsten Schritte, um dieses Vertrauen nachhaltig aufzubauen?
Wir legen aktuell den Fokus auf den Ausbau unserer Sales Manager pro Region – und zwar auf alle Marken übergreifend. So steht dem Händler ein Ansprechpartner pro Region zur Verfügung, der sich um alle unsere Marken kümmert. Ich kann dem Händler ein Bild malen, aber meine Mitarbeiter können die Farben besser erklären. So wird jeder Händler speziell beraten und wird in vielen kaufmännischen Bereichen von uns begleitet – und dieses Gesamtkonzept hat sich dann hoffentlich bis 2027 durchgesetzt.

Welche Rolle spielt der deutsche Markt im Gesamtkontext der Pierer Mobility Gruppe, insbesondere im Vergleich zu anderen europäischen Märkten?
Deutschland ist der größte Markt in Europa, der zweitgrößte weltweit und im Gesamtkontext sehr wichtig. Daher haben wir jetzt auch als direkte Ansprechpartnerin für unsere Händler eine eigene Marketing Managerin als Ansprechpartnerin nach Ursensollen geholt, die sich für den deutschen Markt kümmert. Zwar sind wir nach wie vor in die Strukturen in Mattighofen eingebunden, versuchen aber besonders in Deutschland sichtbarer zu sein. 
Welche Rolle spielen die Sanierungspläne und die Beteiligung von Bajaj?
Bajaj wird eine neue Rolle einnehmen und mehr Einfluss nehmen. Aktuell nähert man sich an, um sich besser kennenzulernen. KTM kann viel von Bajaj lernen im Hinblick auf Supply Chain Management und deren Prozesse. Unser IT-Verantwortlicher kommt bereits von Bajaj und ich denke, dass noch mehr Personal nachziehen wird.

Husqvarna Motorcycles hat einen Marktrückgang von knapp 80% im ersten Halbjahr, GASGAS sogar 97% verglichen mit den ersten sechs Monaten 2024 im Segment der Krafträder – wird man an den Marken festhalten? 
Aktuell ist der Stand, dass wir mit allen drei Marken weiterfahren. Sicher ist jedoch, dass es in eine Richtung gehen wird, wo es weniger Modellgleichheiten und mehr Unterschiede zwischen den Marken gibt, dass jede Marke ein Gesicht hat und somit auch die Händler mehr angesprochen werden. Die Zukunft wird zeigen, wohin der Weg geht, es kann eventuell auch mit nur zwei Marken weitergehen. So oder so muss eine schnelle Entscheidung her.

Viele fragen sich wie es mit dem Motorsport-Engagement weitergehen wird, da hier sehr viel Geld investiert wird. Wird KTM auch weiterhin in der MotoGP vertreten sein? 
Die Teilnahme in der MotoGP ist eine strategische Grundsatzentscheidung und nicht umsonst ist der KTM-Claim „Ready to Race“. Motorsport ist die DNA der Marke, egal ob das in der MotoGP, im Motocross oder im Enduro-Bereich ist. Daher sehe ich das Motorsport-Engagement als wichtigen Teil von KTM. Wir Österreicher sind sehr stolz auf KTM und Red Bull, daher bedeutet dieses Engagement für uns noch viel mehr. Ein Händler sieht es immer anders als der Hersteller, wenn man ihm ein Konzept liefert, dass ihm nicht gefällt wird es schwierig. Wenn wir morgen mit der MotoGP aufhören, dann verkaufen wir nächstes Jahr vermutlich gleich viele Fahrzeuge – den großen Unterschied merkt man allerdings erst in drei bis fünf Jahren.

Wird es Änderungen bei den Prozessen und Händlerverträgen geben?
Uns ist bewusst, dass unsere Prozesse komplizierter sind als bei manchen Wettbewerbern. Das war auch das Feedback während der Händlertagungen. Wir möchten unsere Prozesse im operativen Teil verbessern – ob wir das für 2026 schon verwirklichen können, ist wahrscheinlich schwierig, aber 2027 erwarten wir einen großen Schritt in die richtige Richtung.

Wie stehen Sie dem Thema Messen gegenüber?
Vor zwei Jahren hätte ich gesagt, Messen braucht man nicht. Heute möchte ich dem Endkunden wieder mehr anbieten und das bedeutet für mich, dass KTM auf mehr Messen als nur der EICMA vertreten ist. Aktuell müssen wir prüfen, was das Budget hergibt. Aber man muss sich auch fragen, was es kostet, nicht auf Messen präsent zu sein und dadurch weitere Kunden verliert.

Unser Platz 2 des Händler des Jahres ist auch KTM-Händler, was bedeutet das für Sie?
Wir sind stolz darauf, dass wir einen Händler haben, der einen Platz beim Händler des Jahres belegt hat. Wir danken ihm für seine kontinuierliche Unterstützung in der schweren Zeit, denn das ist ein großer Vertrauensbeweis. Ich freue mich schon auf die Preisverleihung, um mich dort auch persönlich allen vorstellen zu können.

Die Botschaft ist klar und für Christoph Wolf sehr wichtig, denn nur gemeinsam geht der Weg nach vorne. „Wir als KTM möchten herausgefordert werden und stehen in der Schuld es richtig zu machen. Durch das Sanierungsverfahren haben wir Händler verloren, aber auch gezeigt, wo die Reise hingeht. Ich kann keinen Konzern verändern, aber ich kann zusammen mit meinen Mitarbeitern ein Team sein, an das sich Händler wenden können und dem sie wieder Vertrauen schenken.“

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