Branche

Deckname „ Portfoliobereinigung“
04.05.2017

Nur die Dümmsten der Branche nehmen Verlautbarungen aus und Gerüchte rund um das Geschehen in Wolfsburg noch ernst. Vor allem wenn altgediente Mitarbeiter aus dem Dunstkreis Winterkorns ihre Finger im Spiel haben.

Für Insider kam die momentan in diversen Wirtschaftsmedien laufende Nachricht, dass man nach einem Käufer für Ducati suche, nicht überraschend. Bereits im Februar auf unserer Fachmesse WoB MotoTrade in Kassel lag das Thema Ducati auf dem Tisch. Die Ereignisse, die zur aktuellen Zuspitzung der Situation und zur Tatsache führten, dass ein renommiertes Unternehmen wie der italienische Hersteller nun auf dem Altar der Eitelkeiten geopfert werden soll, reichen indes einige Jahre zurück. Und sie sind Nachbeben einer fulminanten Fehde zwischen zwei Ego-schwangeren „Silberrücken“ und Alphatieren der Auto-Industrie: Dem langjährigen, jetzt entmachteten VW-Patriarchen Ferdinand Piëch und dem ebenso langjährigen und im Zuge des Dieselskandals entsorgten Martin Winterkorn.

Doch im einzelnen: Wie uns Kenner der Autobranche bereits in Kassel berichtet hatten, geht man davon aus, dass Ferdinand Piëch der wahre Kern und Auslöser des VW-Dieselskandals war. Dass Winterkorn und nicht sein Chef dafür in öffentliche Ungnade fiel, ist da beinahe nur eine Randnotiz der jüngeren Wirtschaftsgeschichte. Die Fehde zwischen Winterkorn und Piëch reicht indes weiter zurück. Noch bevor das volle Ausmaß der Dieselaffäre im VW-Konzern und in der Öffentlichkeit bekannt wurde, wollte Piëch seinen einstigen Ziehsohn loswerden, unterlag aber spektakulär in einer Aufsichtsratssitzung. Winterkorn durfte im Amt bleiben, bis er kurze Zeit später seiner politischen Exekution zum Opfer fiel. Piëch aber war es, der zuvor gegen den Willen des Lagers Winterkorn Marken wie Ducati, MAN und Co. zu VW geholt hatte. Ganz klar: Der Kauf von Ducati war eine Herzensentscheidung von Ferdinand Piëch. Ferdinand Piëchs Liebe zu dieser Marke war groß, er selbst hatte nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er Ducati gerne besitzen wolle.

Der VW-Konzernvorstand teilte diese Liebe nie. Und mit dem Rauswurf von Martin Winterkorn aus Amt und Würden war das Geflecht Winterkorn, die alte Seilschaft, nicht zerschlagen. Im Gegenteil: Bis heute wird im Konzern verheimlicht und gelogen, wo andere Geschäftsführer schon längst hinter Schloss und Riegel säßen. Das rächt sich nun. Und fordert Opfer. Denn mit dem Ausscheiden Piëchs aus dem Konzern kann das Lager Winterkorn wieder seine Kraft entfalten. Und Rache üben. Ducati scheint da ein probates Mittel zum Zweck zu sein. Mit einem Verkauf kann man Piëch direkt treffen.

In Bologna wird eine Ära zu Ende gehen. Und vieles anders werden. Um eines ist es sicher nicht schade: Den hochnäsigen Führungsstil der verantwortlichen Manager aus Ingolstadt/Wolfsburg. Egal ob man mündliche oder schriftliche Anfragen stellte, aus Ingolstadt wurde nur geblockt. Auch das zeigt, wie weit entfernt Automanager von der Zweiradindustrie sind. Das bestätigen auch die Manager von Mercedes/AMG. Auf die Schnelle 20 Millionen Euro in MV Agusta investiert, und niemand stellt hinterher die Frage: Was passiert eigentlich mit meiner Investition? Wie gesund ist das Unternehmen, in das ich mein Geld gesteckt habe? Warum hat MV 17 Modelle im Programm, verkauft aber zu besten Zeiten nur 890 Fahrzeuge in Deutschland? Jeder Hauptschüler könnte dieses Modell rechnen und merken, dass man mit MV Agusta niemals Geld verdienen kann!

Zurück zu VW/Ducati. Wer auch immer die neuen Besitzer von Ducati sein werden. Sie werden ihre eigenen Ideen und Vorstellungen mitbringen, wie man ein Unternehmen führt. Köpfe werden rollen. Mitarbeiter, die einst aus dem sicheren Hafen BMW und anderer Marken ausgelaufen sind, um bei Ducati anzudocken, werden sich warm anziehen müssen.

Ducati ist Leidenschaft. Kann das der neue Eigner nachvollziehen? Vor allem, wenn er aus Asien kommt. Dort zählen keine Menschen! Dort fragt man nicht nach Arbeitszeiten! Oder wie lange man für die Firma gearbeitet hat! Dort sind Mitarbeiter Material, das man austauschen kann.

Für das Händlernetz bedeutet ein Verkauf ebenfalls Veränderung. Nicht heute, nicht 2017 oder 2018. Aber ganz sicher mittelfristig. Die Weichen werden gestellt. Schauen wir gespannt zu, was passiert. Wir bleiben dran.

Herzlichst

Ihr Klaus Hüttinger

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