Branche

Harley-Händler warnen vor drastischen Folgen des Zollstreits
20.10.2021

Im anhaltenden Zoll-Disput zwischen EU und USA wähnt der Verband der Harley-Davidson Vertragshändler die US-Marke als Spielball der Politik – und fordert eine Rückkehr zu Vernunft und Gerechtigkeit.

Harley-Davidson und der EU-Strafzoll – eine nach Darstellung des Händlerverbands der Marke nicht enden wollende Geschichte. Und die scheine jetzt auf etwas zuzusteuern, das „alles andere als ein Happy End“ sei, bilanziert die Interessenvertretung der Dealer. „Das Damoklesschwert von 56 Prozent Zollgebühr schwebt über der am politischen Konflikt unschuldigen Company und keiner weiß, was passiert, wenn es auf sie niedersaust“, lautet das Fazit in einer aktuellen Stellungnahme. Und der Verband fragt sich: Können die Präsidentin der Europäischen Kommission, der US-Präsident und ihre Vertreter sich noch rechtzeitig und zielführend einigen?

Für Harley-Davidson begann die Misere im Jahr 2018. Da beschloss die Europäische Union, dem damaligen US-Präsidenten Trump entgegenzutreten, der protektionistische Zölle von zehn Prozent auf europäisches Aluminium und 25 Prozent auf europäischen Stahl erhoben hatte. Kurzerhand entschied sich Brüssel, auf die Einfuhr bestimmter US-Waren ebenfalls Strafzölle zu erheben – unter anderem auf Motorräder mit mehr als 500 Kubikzentimetern Hubraum. Zusätzlich zu den bislang fälligen sechs Prozent sollten nun weitere 25 Prozent gezahlt werden. „Die Motor Company trug’s mit Fassung und gab die Preissteigerung trotz der erheblichen Importmehrkosten nicht an ihre europäischen Kunden weiter“, so der Verband zur damaligen Situation.

Eine Zwischenlösung fiel ebenfalls ins Wasser. „Als ab Ende 2019 nahezu alle für unseren Kontinent bestimmten Harleys statt in den USA in einem neuen Werk in Thailand gefertigt wurden, entfiel für sie der EU-Strafzoll aufgrund einer sogenannten Binding Origin Information (BOI)“, schreibt der Händlerverband. Diese sei der Company aber im April 2021 entzogen worden. Die EU kassiere unabhängig vom Produktionsort nun erneut 31 Prozent Zoll auf die Einfuhr jeder Harley – 6 normale Zoll-Tarifpunkte plus 25 Strafpunkte. Und wieder habe man die Preissteigerung für den Import nicht an die Harley-Kunden durchgereicht. Doch es sollte noch dicker kommen: Ab Juni 2021 wollte Europa nämlich weitere 25 Prozent Zoll aufschlagen, verschob das Ganze im Mai aber zwecks Beratungen erst einmal auf kommenden Dezember. Nun naht das Jahresende – die Lage ist weiterhin ungeklärt.

„Wenn die Politik keine Einigung erzielt, bedeutet das für uns ab Ende dieses Jahres 56 Prozent Einfuhrzoll auf jedes Motorrad – eine tiefe Ungerechtigkeit und unfaire Wettbewerbsverzerrung“, erläutert Matthias Meier, Vorstand des deutsch-österreichischen und des europäischen Verbands der Harley-Davidson-Vertragshändler. Während europäische Motorradhersteller weiterhin bei deutlich geringeren Importzöllen in die USA exportieren könnten – 1,2 Prozent für Maschinen bis 800 Kubikzentimeter, bis zu 2,4 Prozent für Bikes über 800 Kubikzentimeter Hubraum und 2,5 Prozent für Autos –, dürften sich nach Verbands-Hochrechnungen bei Harley-Davidson allein im Jahr 2021 EU-Zollgebühren in Höhe von über 100 Millionen US-Dollar ansammeln. „Unsere Überzeugung lautet: Das kann so nicht weitergehen“, so Matthias Meier. „Die derzeit für alle Beteiligten unklare Situation kann sowohl die Endverbraucherpreise unserer Motorräder als auch die Mengenplanung der Motor Company für Europa beeinflussen.“

Im Klartext: Die ungeklärten politischen Kontroversen zwischen der europäischen und der amerikanischen Politik könnten auf die coronabedingten Lieferengpässe sowie die Halbleiter- und Containerkrise noch eins draufsetzen: Sie könnten in der EU im kommenden Jahr zu einer weiteren Verknappung von US-Bikes beitragen. Nicht nur eine existenzbedrohende Situation für die etwa 300 Harley-Davidson-Vertragshändler und ihre rund 5.000 Arbeitnehmer in der Europäischen Union, sondern auch eine untragbare Lage für die europäischen Kunden, die mit weniger und teureren Harleys rechnen müssten, findet der Verband.

Im Lauf der vergangenen Monate wurden in der Causa Strafzoll auf politischer Ebene zahlreiche Gespräche auf allen Ebenen und mit sämtlichen beteiligten Gremien geführt. So forderte unter anderem eine Koalition aus 88 europäischen und amerikanischen Verbänden Ursula von der Leyen und Joe Biden zur Aussetzung der Strafzölle auf. Antonio Perlot, Generalsekretär von ACEM (Association des Constructeurs Européens de Motocycles – Die Motorradindustrie in Europa) betonte damals: „Wir setzen uns weiterhin dafür ein, dass beide Parteien zur Vernunft zurückkehren und eine Lösung finden.“

Seit längerem läuft eine an das Europaparlament gerichtete Petition der deutschen und europäischen Harley-Davidson-Händlerverbände. Sie wurde unlängst aktualisiert, will das Augenmerk von Verbrauchern und Politik auf die verfahrene Situation lenken und alle Entscheider zu einer Einigung in der Sache auffordern. „Nicht nur Freunde und Fans der Motorräder aus Milwaukee sind aufgerufen, zu unterzeichnen, sondern alle Europäer, denen an freiem Handel und fairem Wettbewerb gelegen ist“, so der Harley-Händlerverband. Wer in der Suchmaske von www.change.org „Harley-Davidson“ eingibt, kann unter „Harley-Davidson Händlerverband gegen EU-Strafzölle“ seine Solidarität bekunden.

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