Dai Arai ist als Chefingenieur verantwortlich für das Thema DCT bei Honda.
Dai Arai ist als Chefingenieur verantwortlich für das Thema DCT bei Honda. (© Honda)
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10 Jahre DCT bei Honda: Fragen an den Macher
13.08.2020

Im Autosektor eine aufstrebende Kraft, im Zweiradsektor ein Exot: Das Doppelkupplungsgetriebe. Honda setzt als einziger Motorradhersteller auf DCT, die „Dual Clutch Transmission“ – und feiert beachtliche Erfolge damit. Fragen an Dai Arai, Chefingenieur beim japanischen Hersteller für diesen Techniksektor.

2019 wurden in Europa 45 Prozent der ausgelieferten Africa Twins, 52 Prozent der NC750X und 67 Prozent der Gold Wings mit einem Doppelkupplungsgetriebe (DCT) ausgeliefert. Woher stammt die Technik?
Dai Arai: Vor meiner Zeit bei Honda gab es andere Automatikgetriebe, wie das „Hondamatic“-Getriebe in den 1970er Jahren, das auf einem Drehmomentwandler basierte, und die „Human Friendly Transmission“ beim Modell DN01. Bevor die VFR1200F mit dem ersten DCT auf den Markt kam, kursierte die Idee, ein Automatikgetriebe herzustellen, bereits seit vielen Jahren. Der größte Unterschied zu den bisherigen Systemen besteht beim DCT darin, dass es mit viel weniger Verlusten arbeitet, so dass es ein viel direkteres und sportlicheres Gefühl vermittelt.

Was war das größte Problem, das zu lösen war?
Dai Arai: Alles bei der Entwicklung des allerersten DCT für die VFR1200F war ein echter Kampf. Niemand hatte jemals zuvor daran gearbeitet, deshalb war es sowohl auf Hardware- wie auf Software-Seite so schwierig. Eine echte Premiere war zudem, dass Getriebeingenieure an elektronischen Steuerungen beteiligt waren. Bei der Hardware mussten wir ein Kurbelwellengehäuse entwickeln, das sowohl für DCT- als auch für Schaltgetriebemotoren verwendet werden konnte, da es in den gleichen Rahmen eingebaut werden sollte. Wir verwendeten also zwei Hauptwellen, bei der die eine in der anderen läuft, um das Gehäuse kompakt halten zu können. Es war eine große Herausforderung, diesem kleinen Paket die erforderliche Festigkeit und Haltbarkeit zu verleihen. Eine weitere Herausforderung bestand darin, das Schaltgeräusch zu reduzieren. Da der Schaltmechanismus selbst derselbe ist wie bei einem manuell geschalteten Getriebe, produziert das DCT an den Schaltnocken exakt dasselbe Geräusch vor dem Einkuppeln wie eine manuelle Schaltung. Für manchen Fahrer könnte es sich seltsam anhören, dieses Schaltgeräusch im Automatikmodus ohne die gewohnten manuellen Eingaben beim Gangwechsel zu hören, so dass die Reduzierung dieses Geräusches eine große Herausforderung darstellte. Auf der Softwareseite war die Programmierung der Schaltpläne für diese neue Art von Technologie eine echte Herausforderung.

Was war Ihrer Meinung nach der größte Entwicklungsschritt in einem Jahrzehnt DCT?
Dai Arai: Ich kann keine Detailentwicklung als die wichtigste herausstellen. Das liegt daran, dass wir das System im Gesamten im Laufe des Jahrzehnts konsequent weiterentwickelt haben. Einer der ersten großen Schritte aber war sicherlich die automatische Rückkehr in den Automatikmodus, wenn man zuvor das Getriebe über die Schaltpads manuell angesteuert hatte. Es steckt eine Menge Programmierarbeit darin, die Rückkehr zur Automatik so intuitiv wie möglich zu gestalten, denn man muss die Fahrsituation und damit die Absicht des Fahrers einberechnen: War es ein Herunterschalten in einer engen Kurve, ein Herunterschalten zum Überholen auf gerader Strecke usw. Später haben wir die Art und Weise verfeinert, wie die Drosselklappensignale beim Herunterschalten genau auf die Drehzahl abgestimmt werden, damit die Schaltvorgänge sanft ablaufen. Diese Änderungen erforderten viel Synchronisierung mit den Steuerungen für die Kraftstoffeinspritzung.Wir haben außerdem eine „Adaptive Clutch Capability Control“ eingeführt – ein System, das die elektronische Steuerung des DCT nutzt, um die Kupplung geringfügig „rutschen“ zu lassen, wenn die Drosselklappenstellung anfänglich von einer vollständig geschlossenen oder vollständig geöffneten Position aus verändert wird. Das hat geholfen, das Verhalten des Motorrads zu „glätten“. Auf der anderen Seite reduziert der „G“-Schalter, den wir bei der CRF1000L Africa Twin und später beim X-ADV eingeführt haben, den Kupplungsschlupf, um ein direkteres Gefühl für die Traktion des Hinterrads zu vermitteln. Wir haben das System bei der Gold Wing zudem mit den Fahrmodi verknüpft, was ebenfalls dazu beiträgt, die Schaltzeit zu verkürzen. Und bei der aktuellen CRF1100L Africa Twin trägt die Verbindung mit der zentralen Messeinheit IMU dazu bei, die Schaltzeit in Kurven zu verfeinern, da die IMU exakte Informationen über den Schräglagenwinkel liefert. Das System hat sich also kontinuierlich weiterentwickelt und wird dies auch künftig tun.

Wie würden Sie persönlich die Vorteile des DCT beschreiben?
Dai Arai: Das Größte für mich an der Technik ist, dass sie dem Fahrer die Möglichkeit gibt, sich darauf zu konzentrieren, was den größten Fahrspaß ausmacht: Das Kurvenfahren, die Suche nach der richtigen Linie, das Timing von Bremsen und Beschleunigen. Und das System ist sowohl einfach als auch direkt. Einfach, weil man im langsamen Verkehr nicht kuppeln muss, keine Chance hat abzuwürgen. Direkt, weil der Gangwechsel schneller ablaufen und man sich rein auf das Fahren konzentrieren kann.

Was wäre Ihre Botschaft an Fahrer, die glauben, DCT sei nichts für sie?
Dai Arai: Probieren Sie es aus! Es mag eine kurze Zeit dauern, bis man sich daran gewöhnt hat, aber es eröffnet einem wirklich neue Möglichkeiten beim Fahren.

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