Laute Motorräder sollen nach dem Willen des Bundesrats bald der Vergangenheit angehören.
Laute Motorräder sollen nach dem Willen des Bundesrats bald der Vergangenheit angehören. (© WoB)
Branche

Bundesrat nimmt Motorradlärm ins Visier
25.05.2020

Die Länderkammer verabschiedete vor wenigen Tagen eine sogenannte Entschließung zum Thema. Mit dem Papier will man die Bundesregierung in die Pflicht nehmen, stärker gegen Lärmposer vorzugehen – Streckensperrungen und Fahrverbote inklusive.

Die Diskussion um zu laute oder zu laut empfundene motorisierte Zweiräder hat hierzulande eine neue Qualität erreicht. In seiner 989. Sitzung am 15. Mai 2020 verabschiedete der Bundesrat eine sogenannte „Entschließung zur wirksamen Minderung und Kontrolle von Motorradlärm“. Auf den Weg gebracht worden war die Initiative am 10. März 2020 auf Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen, unterzeichnet von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU). Mittels einer Entschließung kann die Länderkammer als Verfassungsorgan die Bundesregierung zum Handeln auffordern – wenn sie Problemstellungen erkannt haben will, die der gesetzlichen Regelung oder Nachjustierung bedürfen.

In dem jetzt verabschiedeten Bundesrats-Papier (Drucksache 125/20) sind indes zwei wesentliche Stoßrichtungen erkennbar: Zum einen sollen die Fahrzeughersteller über eine entsprechende Neufassung der EU-Zulassungsrichtlinien – für die der Bund auf die EU-Kommission zugehen müsste – dazu verpflichtet werden, künftig nur noch Motorräder zu bauen, die in allen Fahrzuständen einen Geräusch-Grenzwert von 80 db(A) einhalten. Zum anderen soll der Strafenkatalog für Halter und Fahrer geräuschauffälliger Maschinen deutlich verschärft werden. Die Polizei soll dafür einen größeren – rechtlichen wie technischen – Handlungsspielraum erhalten, um bei der Verfolgung und Ahndung der betreffenden Vergehen effizienter zu werden. Zudem will der Bundesrat lokale Fahrverbote und Streckensperrungen leichter möglich machen.

Interessant ist in der Bundesrats-Entschließung, dass sich das Gremium nicht scheut, seine Stoßrichtung mit teils krude erscheinenden Argumenten zu untermauern. So heißt es unter Punkt Vier des betreffenden Papiers unter anderem: „Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, Motorsteuerungen an Motorrädern zu verbieten, die individuell vom Fahrer einstellbare Soundkulissen („Sound-Design“) ermöglichen und durch welches störende und belästigende Geräusche erzeugt werden.“ Die Frage ist: Woher bezieht der Bundesrat seine Informationen über eine solche technische Einrichtung, die bislang in keinem aktuellen Serienmotorrad dokumentiert und auch im Tuning-Sektor derzeit unbekannt ist.

Das Ende des Klappen-Auspuffs?
Oder anders gefragt: Bezieht sich dieser Passus vielleicht auf elektronische Klappen-Auspuffsysteme, wie sie von einigen Zubehörherstellern für bestimmte Fahrzeugmodelle seit geraumer Zeit angeboten werden? Interessant ist – gerade in Bezug auf diese Nachrüst-Auspuffsysteme – eine Aussage des Bundesverkehrsministeriums, die in der betreffenden Plenardebatte des Bundesrats vorgebracht worden war. Hier heißt es wörtlich: „Die Arbeiten zum deutschen Vorschlag zur Änderung der UN-Regelung 92 für Motorradaustauschschalldämpfer wurden Ende 2018 abgeschlossen. Die geänderte Regelung ist im Oktober 2019 in Kraft getreten. Die Änderung führt dazu, dass Klappenschalldämpfer mit Laut-/Leise-Umschaltung künftig nicht mehr genehmigungsfähig sein werden. Dies wird zu einer Reduzierung der Realgeräuschemissionen führen, da diese Schalldämpfer in den letzten Jahren bei einigen Motorradfahrergruppen immer beliebter wurden.“

Gegen die Pläne des Bundesrats regt sich indes bereits Widerstand. Von verschiedenen Verbänden, darunter dem Industrie-Verband Motorrad (IVM), sind bereits Aussagen dokumentiert, wonach man sich insbesondere gegen die avisierte 80 dB(A)-Regel ausspricht und sie als unrealistisch bezeichnet. Außerdem will man gegen die Ausweitung von Streckensperrungen und Fahrverboten vorgehen. Und selbst Spiegel online – das Nachrichtenmagazin hat sich bislang nicht gerade als glühender Unterstützer des Zwei- und Vierradbereichs geoutet – brandmarkt den Bundesrats-Vorstoß in einem Kommentar als „teils abstrusen Beschluss“.

Unser Fazit:
Sicher ist: Das Thema Lärm ist eines, dem sich der Gesetzgeber zweifellos widmen muss, da Selbstverpflichtungen der Industrie oder des Verbrauchers regelmäßig ins Leere laufen - das haben viele Erfahrungen aus der Vergangenheit gezeigt. Das Motorrad als Lärmquelle kann bei allen Bemühungen seitens der Gesetzgebers aber nur ein (kleiner) Teil des Ganzen sein. Ein realistischer Ansatz und Augenmaß sind hier gefragt – zumal Zweirad-Industrie und -Handel sowie zweiradgestützter Tourismus zusammengenommen hierzulande eine nicht zu vernachlässigende Wirtschaftsleistung erbringen und Arbeitsplätze in erklecklicher Zahl sichern.

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