BMW R 18: Souveräner Charakter-Cruiser
12.10.2021
Technisch fein gemacht, optisch ein Brückenschlag in die Zweirad-Frühzeit, der Motor respekteinflößend und monumental – was BMW mit der R 18 auf die Räder gestellt hat, ist mehr als ein Motorrad. Es ist ein Statement.
Vergangenes Jahr debütierte sie offiziell, inzwischen umfasst BMWs R18-Familie bereits vier Modelle. Die Münchner spannen mit ihren Varianten ein breites Einsatzspektrum auf, das vom puristischen Gelegenheits- und Feierabend-Cruise bis hin zur ausgedehnten, komfortbegleiteten Fernreise reicht. Wir haben uns bei unserem Proberitt indes für die Quintessenz des Konzepts entschieden – in Gestalt des Basismodells R 18.
Bei der ersten Annäherung dominiert der Respekt: Vor der schieren Masse des Bikes und der optischen Monumentalität des Motors. Die beiden Wasserkübel-großen Zylinderskulpturen kragen weit nach links und rechts aus und inszenieren die gefühlt armdicken Krümmer in Vollchrom eindrucksvoll. Aufgesessen relativiert sich der überwältigende stoffliche Eindruck dann aber sehr schnell. Die Sitzposition nämlich vermittelt zusammen mit dem breiten, flachen Standard-Lenker ein sehr gutes Kontrollgefühl. Die Fußrasten haben die Münchner übrigens mittig platziert, was den Kniewinkel im gut verträglichen Bereich hält, gleichzeitig aber einer fahraktiven Haltung des Piloten zugute kommt. Insgesamt hat BMW die Interaktion Mensch-Maschine sehr gut gelöst.
Purismus regiert bei der Ausstattung der R 18-Basis. Drei Fahrmodi – BMW nennt sie „Rain“, „Roll“ und „Rock“ – genügen völlig, um die Leistungsentfaltung des Bikes auf die jeweiligen äußeren Umstände anzupassen. Im Hintergrund agieren zudem die bei den Bayern inzwischen selbstverständliche Stabilitätskontrolle ASC sowie eine Motor-Schleppmoment-Regelung (MSR), die dem Fahrer im Bedarfsfalle dabei hilft, Risiken und Nebenwirkungen in der Drehmoment-Abgabe auszuschließen. Wer will, kann natürlich weiter investieren: Etwa in eine Rückfahrhilfe, die über den Anlasser eingreift, oder in eine Berganfahrhilfe. Das braucht es aber nicht wirklich. Auch das auf eine Runddose beschränkte Instrumentarium mit analogem Tacho und pflastergroßem Digitaldisplay genügt vollauf.
Schnörkellos auch das Chassis. Der Doppelschleifen-Rohrrahmen aus Stahl und die Hinterradschwinge mit eingefasstem Achsantrieb in Starrrahmen-Optik wirken, als kämen sie direkt aus der guten, alten Zeit, sind nichtsdestotrotz auf der Höhe der selbigen, drücken aber überaus gekonnt aus, was man mit der Konstruktionsweise will: An die legendäre R 5 aus dem Jahre 1923 erinnern, die so etwas wie der Motorrad gewordene Urknall für BMW gewesen war.
Famos abgestimmt
Bei den Federelementen – vorne eine von Hülsen bedeckte Telegabel, hinten ein versteckt liegendes Cantilever-Federbein – hat man bewusst auf großartige Verstellmöglichkeiten verzichtet. Die Abstimmung hat man dennoch famos hinbekommen. Die Fuhre schaukelt nicht, liegt stabil in der Spur, fährt nach entsprechend deutlichen Lenkimpulsen sauber um die Ecke. Große Schräglagenwinkel darf man indes nicht erwarten. Die Motorenbauweise sagt hier schlicht: Gemach, guter Reiter!
Forcierte Kurvenhatz ist auch gar nicht das Ding der R 18. Und hier sind wir zwangsläufig beim Herzstück und dem Highlight der R 18 angelangt, ihrem gewaltige 1.802 Kubik managenden „Big Boxer“. Über ihn, zuvorderst über seine optische und technische Opulenz, wurde bereits viel geschrieben. Überzeugt hat uns aber vor allem die sanfte Souveränität, mit der BMWs bislang voluminösester Serienboxer seine 67 kW (91 PS) ausliefert. Im Drehzahlkorridor zwischen 2.000 bis 4.000 Umdrehungen stehen jederzeit mehr als 150 Nm Drehmoment zur Verfügung – beste Basis für schaltfaules, dosiertes Vergnügen, für eine Leistungskontrolle, die beinahe vollständig über die Gashand gelingt. Die Doppelscheibenbremse vorn und eine Einscheibenbremse hinten, allesamt von Vierkolben-Festsätteln in die Zange genommen, agieren ebenso unauffällig wie solide.
Unser Fazit:
BMW setzt mit der R 18 ein Statement. Es lautet nicht unbedingt: „Wir können es mindestens genauso gut oder besser als Harley.“ Nein. Die Münchner brauchen die Battle mit den Amis gar nicht. Sie zeigen schlicht und ergreifend, wie hoch sie die technische Messlatte inzwischen zu legen wissen, was sie gestalterisch drauf haben. Und wie sehr sie sich ihrem Boxer-Erbe verpflichtet sehen. Vor allem führen sie vor – auch und gerade mit dem „Big Boxer“ in der R 18 –, welchen Wert das Motorenkonzept noch immer hat, wie facettenreich und spannend es sich darstellen lässt. Gratulation zu diesem – man muss sagen: verdienten – Selbstbewusstsein! Und einen weiteren schönen Nebeneffekt hat das Konzept R 18 inzwischen ebenfalls hervorgebracht: Immer mehr Händler und Customizer haben das Bike für sich entdeckt. Die Szene wächst.