In der Rüsselsheimer Sammlung von Opel Classic steht noch heute eine fahrbereite 1928er Opel Motoclub „Supersport“. Das Motorrad besticht durch eine moderne Optik, die vom Mattsilber des galvanisierten, unlackierten Metalls geprägt wird, kontrastiert durch einen roten Sattel, rote Anbauteile und sogar rote Reifen.
In der Rüsselsheimer Sammlung von Opel Classic steht noch heute eine fahrbereite 1928er Opel Motoclub „Supersport“. Das Motorrad besticht durch eine moderne Optik, die vom Mattsilber des galvanisierten, unlackierten Metalls geprägt wird, kontrastiert durch einen roten Sattel, rote Anbauteile und sogar rote Reifen. (© Opel)
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Motoclub: Als Opel dereinst ins Motorradgeschäft einstieg
18.08.2021

Ein Universalgenie bescherte dem Rüsselsheimer Autohersteller 1928 ein höchst innovatives Zweirad.

Auf Ernst Neumann-Neander passt der Begriff „Universalgenie“ wie auf nur wenige andere. Er war Künstler, Designer, Kabarettist, Unternehmer, Rennfahrer und Ingenieur. Mit Opel verbindet ihn das geniale Motorrad Motoclub. Die Opel Motoclub wurde von 1928 bis 1930 gebaut und war durch ihren innovativen Rahmen aus gepresstem Stahlblech einmalig. Diese Bauweise ersann Neumann-Neander. Mit der neuen Technik gelang es Opel, die Montagezeit eines Motorrades von üblicherweise 15 bis 25 Stunden auf rund vier Stunden zu senken – eine Revolution im Motorradbau. Dadurch konnte Opel in kürzester Zeit ein hervorragendes Produkt zu einem attraktiven Preis etablieren. Ähnlich wie beim Opel „Laubfrosch“, dem ersten deutschen Auto vom Fließband, machte Opel so individuelle Mobilität für viele erschwinglich.

Der Motoclub-Konstrukteur wurde vor 150 Jahren, am 3. September 1871, als Ernst Neumann in Kassel geboren. Als 19-Jähriger fährt er erfolgreich Hochrad-Rennen. Erste berufliche Stationen sind Tätigkeiten als Karikaturist und Illustrator. Neben seinen vom Jugendstil geprägten künstlerischen Aktivitäten, zu denen 1901/1902 auch Auftritte als Kabarettist mit dem Münchener Ensemble „Die 11 Scharfrichter“ gehören, begleitet ihn stets die Passion für Geschwindigkeit und Technik. Die am Ende des 19. Jahrhunderts aufblühende Motorisierung fasziniert ihn seit der Kindheit. Ein erster Motorrad-Eigenbau entsteht 1904. Mit ihm bestreitet er zahlreiche Berg- und Langstreckenrennen, etwa Paris–Rom–Paris.

1908 gründet er in Berlin die Werbeagentur „Ateliers Ernst Neumann für Moderne Reklame“, zu deren Kunden namhafte Industrieunternehmen gehören. Kurz darauf erweitert er sein Schaffen um den Bereich Karosseriedesign. Bis in die 1920er Jahre hinein entwirft er Formen für die Karosseriebauer Kellner, Papler, Schebera, Szawe und die hessische Firma Kruck, die eng mit Opel zusammenarbeitet.

Nach dem Ersten Weltkrieg legt sich Neumann den Künstlernamen „Neumann-Neander“ (Neander = „Der neue Mann“ im Altgriechischen) zu. Den Schwerpunkt seiner Arbeit stellen ab sofort Konstruktion und Herstellung von Motorrädern unter dem Namen „Neander“ dar. Neben elegantem Design kennzeichnen Leichtbau, Fahrkomfort und unkonventionelle technische Lösungen seinen Stil. 1924 erhält „N2“ – so jetzt sein Spitzname – beim Erfinderwettbewerb in Stuttgart den ersten Preis „aller Kategorien für die wertvollsten Verbesserungen des Motorrads“.

In dieser Zeit ist Neumann-Neander auch Gast auf der Rüsselsheimer Opel-Rennbahn, wo der junge Fritz von Opel Hausherr ist. Der Enkel von Firmengründer Adam Opel und Neumann-Neander verständigen sich im September 1928 auf eine Exklusivlizenz: Das erfolgreiche Neander-Stahlpressmodell soll ab sofort auch als Opel produziert und vertrieben werden.

Die „bestliegendste Maschine der Welt“ (Neander-Werbung) bekommt von Opel einen eigenen Fünfhunderter-Einzylindermotor in zwei Leistungsstufen (16 und 22 PS) verpasst. Die moderne Optik wird durch das Mattsilber des galvanisierten, unlackierten Metalls bestimmt, kontrastiert durch einen roten Sattel, rote Anbauteile und sogar rote Reifen. Mit einer großen Werbekampagne wird das neue Modell unter dem Namen „Motoclub“ eingeführt. Es ist etwa zehn Prozent günstiger als vergleichbare Neander-Typen, die nach wie vor gebaut werden. Neander fertigt auch einen Seitenwagen namens „Pionier“, der von Opel für den Gespannbetrieb empfohlen wird und bei vielen Opel-Händlern erhältlich ist.

Die Weltwirtschaftskrise 1929 beschert der Firma Neander als auch der Opel Motoclub im Folgejahr ein jähes Ende. In der Folge zieht sich der inzwischen 60-jährige Neumann-Neander Schritt für Schritt als Unternehmer zurück. Sein bekanntestes konstruktives Spätwerk sind die unkonventionellen vierrädrigen „Fahrmaschinen“ aus den Jahren 1934 bis 1939. Diese Leichtbau-Rennwagen stellen eine Mischung aus Motorrad und Automobil dar und erzielen beachtenswerte Erfolge im Motorsport.

Neumann-Neander bleibt auch im Alter seiner Leidenschaft für kreative technische Lösungen treu. Bis 1950 entstehen etliche ebenso ungewöhnliche wie fortschrittliche Zwei- und Dreiräder – allerdings nicht mehr in Serie. Ende der 1940er schlägt „N2“im hohen Alter das letzte Kapitel seines abwechslungsreichen Lebens auf und beginnt wieder mit der Malerei. In fünf Jahren entstehen mehr als hundert Bilder.

Ernst Neumann-Neander stirbt am 13. November 1954 mit 83 Jahren in Düren. Er hinterlässt ein außergewöhnliches und vielfältiges Werk. Die Opel Motoclub ist ein kleiner Teil davon. In der Rüsselsheimer Sammlung von Opel Classic steht auch heute eine fahrbereite 1928er „Supersport“. Mit diesem außergewöhnlichen Motorrad bleibt das Universalgenie „N2“ in steter Erinnerung – auch und gerade an seinem 150. Geburtstag.

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