Von dem dreirädrigen LW von Laurin & Klement gibt es wahrscheinlich nur noch drei Exemplare. Bei dem derzeit im Škoda-Museum in Mladá Boleslav gezeigten Exponat handelt es sich um eine Version für den Passagiertransport.
Von dem dreirädrigen LW von Laurin & Klement gibt es wahrscheinlich nur noch drei Exemplare. Bei dem derzeit im Škoda-Museum in Mladá Boleslav gezeigten Exponat handelt es sich um eine Version für den Passagiertransport. (© Škoda)
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Fahrzeuge, die Geschichte schrieben: Das LW-Dreirad
01.04.2020

Im Jahr 1905 fertigte die zehn Jahr zuvor gegründete Fahrradschmiede Laurin & Klement, die später zum Automobilhersteller Škoda werden sollte, mit der Voiturette A nicht nur ihr erstes Automobil – auch ein kompaktes Dreirad erblickte das Licht der Welt: das LW. Die Technik der Tschechen ebnete früh den Weg in die Weltmärkte.

Als eine der ältesten Automobilmarken der Welt, die auch heute noch aktiv ist, kann Škoda in diesem Jahr auf eine 125-jährige Geschichte zurückblicken. Mit dem Mechaniker Václav Laurin und dem Buchhändler Václav Klement gründeten zwei junge Unternehmer 1895 in Mladá Boleslav eine eigene Fahrradwerkstatt. Bereits ein Jahr nach der Präsentation erster Fahrräder unter dem Markennamen Slavia brachten die umtriebigen Macher 1899 die ersten selbst entworfenen Motorräder auf den Markt. Sie wurden von Einzylindermotoren angetrieben, die aus eigener Fertigung stammten. Und dieser Umstand sollte die Tür zu einer breiten Produktpalette öffnen: So wurde der V-Zweizylinder vom Typ CC der Tschechen zu einem der ersten in Serie gefertigten Motoren der Welt. Bereits 1904 begann in Deutschland die Lizenzproduktion unter dem Markennamen Germania.

Ebenfalls 1904 führte das junge tschechische Unternehmen mit dem CCCC seinen ersten Vierzylinder-Reihenmotor ein und erweiterte seine Zweiradreihe um Modelle mit wassergekühlten Motoren, darunter das Einzylindermodell „LW“. Es basierte auf dem absatzträchtigsten Fahrzeug im Laurin & Klement-Stall, dem „L“-Modell. Für Marketingstrategen: Die Buchstaben „L“ und „W“ stehen für die Features „Luftkühlung“ und „Wasserkühlung“. So einfach kann es manchmal sein. Zurück zum LW: Mit einem Hubraum von 600 Kubikzentimetern erreichte es eine für damalige Verhältnisse bemerkenswerte Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h. Dennoch wurden zwischen 1903 und 1905 nur zehn Exemplare verkauft: Mit seinem zylindrischen Kühler, dessen Rippen den Rahmen in Höhe des Lenkkopflagers überspannten, war er für die damaligen Kunden wohl zu kompliziert. Zum Vergleich: 965 Kunden entschieden sich im gleichen Zeitraum für das luftgekühlte Basismodell.

Technische Avantgarde
Bei den Dreirädern schließlich konnte die Wasserkühlung überzeugen: Durch eine seitliche Anbringung der Kühler links und rechts neben der Sitzbank für Passagiere bzw. der Ladebox war Kühlluftzufuhr gewährleistet, ohne dass das Element optisch zu stark dominierte. Und man nahm gleich noch eine weitere technische Hürde. Damals war es nämlich üblich, dass die Fahrzeuge durch Anschieben gestartet wurden - ein kompliziertes Prozedere, das durch Betätigen eines Dekompressionshebels deutlich vereinfach wurde. Er hielt das Auslassventil offen und reduzierte so den Gegendruck im Zylinder, wenn der Motor durch Anschieben in Bewegung geriet. Beim Loslassen baute der Motor die notwendige Kompression wieder auf und startete. Dieser Dekompressionshebel reichte jedoch nicht mehr aus, wenn man größere und schwerere Motorräder etwa mit Seitenwagen oder Anhänger in Gang setzen wollte. Das Konstruktionsteam von Václav Laurin entwarf deshalb eine Leerlaufnabe samt Kupplung und installierte ein Zweiganggetriebe. Dadurch konnte der Motor auch bei stehendem Fahrzeug gestartet werden.

Durchbruch auf der letzten Meile
Diese Innovation machte die praktischen und wendigen Nutzfahrzeuge von Laurin & Klement interessant für Besitzer von Kleinbetrieben oder Großverteiler wie die staatlichen Postdienste. Die Tschechen boten eine breite Palette an Motorrädern mit Lastenseitenwägen oder Dreirädern an, die aus bewährten LW-Komponenten zusammengebaut wurden. Bald benutzten die Postboten in Wien die tschechischen Modelle für den Transport ihrer Sendungen, Budapest und Prag folgten kurz darauf. Ein bemerkenswerter Rekord aus dieser Zeit zeigt, wie sehr die Nutzfahrzeuge aus Tschechien die Arbeit der Postboten erleichterten: Am 20. Juni 1906, so ist es überliefert, schaffte es der Zusteller Kundert, 37 Prager Briefkästen innerhalb von 58 Minuten zu leeren – zu Fuß hätte er für die gleiche Aufgabe 2,5 Stunden gebraucht.

Globaler Impact
Aufgrund solcher Erfolge wurden die L&K-Modelle bald auch auf anderen internationalen Märkten nachgefragt. Im Jahr 1908 wurden einige Laurin & Klement-Dreiradfahrzeuge vom Typ LW sowie etliche Motorräder per Lastwagen bis nach Mexiko geliefert. Ihre Einzylindermotoren unterschieden sich von den gleichnamigen Vorgängermodellen durch einen Hubraum von 780 Kubik und einer Leistung von 3,7 kW (5 PS). Ein starrer Rohrrahmen diente als Fahrgestell für das dreirädrige LW von Laurin & Klement, die Vorderachse mit einer Spurweite von 1.150 Millimetern war an zwei halbelliptischen Blattfedern aufgehängt. Der Radstand betrug 1.650 Millimeter, das angetriebene Hinterrad war ungefedert. Die Bandbremse wirkte nur auf das Hinterrad, später wurden alle drei Räder gebremst.

Der vor dem Motor befindliche Wasserkühler bestand aus zwei dicht gerippten, seitlich angeordneten Elementen, der Kühlkreislauf arbeitete nach dem „Thermosiphon“-Prinzip: Das leichtere Warmwasser floss von oben in den Kühler. Bei sinkender Temperatur sank es aufgrund seiner höheren Dichte und wurde wieder nach unten zum Motor geleitet – je wärmer der Motor, desto besser funktionierte dieser Effekt. Auf eine Wasserpumpe konnte deshalb verzichtet werden.

Auch der Oberflächenvergaser war konstruktionsbedingt stark von der Temperatur abhängig. Da das Kraftstoffgemisch durch freie Verdampfung des Benzins in einem kleinen Behälter gebildet wurde, brauchte er keine Einspritzdüse. Einziger Nachteil: Bei sommerlichen Temperaturen funktionierte dieses Prinzip viel besser als bei Kälte. Der Vergaser wurde ebenfalls im Hause L&K entwickelt, ebenso wie die Zündung mit einem elektromagnetischen Niederspannungsinduktor und Kontaktunterbrecher. Für die Schmierung des Motors sorgte der Fahrer zunächst selbst mit einer Handpumpe. Später wurde ein automatisches System mit einstellbarer Leistung eingesetzt; das Öl wurde über Leitungen an die richtigen Stellen gefördert.

Das Leergewicht des LW-Dreirads betrug 160 Kilogramm, die maximal mögliche Nutzlast 200 Kilogramm. So konnten zwei Passagiere auf einem lederbezogenen Doppelsitz sitzen, der zudem durch einen Blechunterbau vor Spritzwasser und Staub geschützt war. In der Frachtvariante befand sich auf der Vorderachse ein Kastenaufbau. Zusätzliche Gepäckstücke konnten auf einen Rohrrahmen geschnallt werden, der als Abdeckung diente.

Laurin & Klement behielten die dreirädrigen LW von 1905 bis 1911 in ihrem Sortiment. Heute sind wahrscheinlich nur noch drei Exemplare und ein separater Motor erhalten. Eines dieser Fahrzeuge kann derzeit als Leihgabe des Technischen Nationalmuseums Prag im Škoda-Museum in Mladá Boleslav besichtigt werden.

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