Branche

Nach der Saison ist vor der Saison
02.11.2015

Nach der Saison ist vor der Saison - das gilt jetzt ganz besonders für die Fachhändler im Bereich Helme und Bekleidung. Nun ist es höchste Zeit, sich um die Vororder zu kümmern und den Markt nach erfolgversprechenden Produkten zu sondieren, um dem Kunden rechtzeitig eine frische, attraktive Warenauswahl anbieten zu können.

Was beschäftigt den Fachhändler in dieser Phase der Planungen für 2016? Welche Produkte haben im Ausstattungsbereich in diesem Jahr für Furore gesorgt und was erwartet uns diesbezüglich im kommenden Jahr? Die World of Bike sprach darüber mit Birgit Wyskiel von der Moto-Thek in Waldkirch. Noch mehr über Trends und Themen im Bereich Helme und Bekleidung lesen Sie in der November-Ausgabe der World of Bike.

Wie sieht Ihre Bilanz für das Jahr 2015 aus? Welche Trends haben Ihre Saison bestimmt?

Unsere Bilanz 2015 sieht sehr gut aus. Wir werden ein erfolgreiches Jahr zum Abschluss bringen und sind mit dem Verlauf der Saison rundum zufrieden. Wir haben die richtigen Produkte rechtzeitig und in ausreichender Menge bei unseren Lieferanten geordert, so dass wir immer sehr gut sortiert waren und so lässt sich von unseren hochmotivierten Mitarbeitern dann natürlich auch einiges verkaufen. Auch hat das Wetter einen großen Teil dazu beigetragen. Das hat sich bei uns hier im Süden seit März bis heute von seiner allerbesten motorradfreundlichen Seite gezeigt und die Biker waren dementsprechend sehr viel unterwegs, was wiederum den entsprechenden Bedarf an Bekleidung geweckt hat.

Trendmäßig haben Lederkombis dieses Jahr etwas nachgelassen, aber diese Jahre gibt es immer wieder mal dazwischen, dafür wurde in hochwertige 3-1-Textilbekleidung mit heraustrennbaren Membranen investiert. Auch die leichte Sommerbekleidung als Zweit-Ausrüstung und die Motorradjeans als Zweithose finden immer mehr Nachfrage. Der Kunde möchte mit seiner Ausrüstung möglichst auf unterschiedlichste Wetterbegebenheiten flexibel reagieren können. Bei den Helmen sind nach wie vor Touren-Sporthelme mit Sonnenblenden, hochwertige Klapphelme sowie offene Cruiser Helme sehr gut verkauft worden.

Welche Marken wurden neu ins Programm aufgenommen, von welchen haben Sie sich getrennt und was sprach für die Entscheidungen?

Wir sind unseren Lieferanten sehr treu und können mit den vorhandenen Marken ein riesiges Spektrum des Bedarfs abdecken. Ich habe es mir abgewöhnt, mich da noch zu arg zu verzetteln. So lange das Rad nicht neu erfunden wird, gibt es keinen Grund, weitere Lieferanten - sprich Marken - ins Sortiment aufzunehmen. Wir haben, was die brands angeht, so ziemlich alles was Rang und Namen hat mit an Bord. Neu dazu kam dieses Jahr im Helmbereich die Marke Scorpions. Der Erfolg lässt noch etwas auf sich warten, aber im ersten Jahr darf man da die Messlatte auch nicht zu hoch halten. Die Marke hat aber Potenzial. Getrennt haben wir uns vor einiger Zeit im hochwertigen Gore-Tex-Bekleidungsbereich von der Firma RUKKA. Hier haben uns marktgerechte Produkte gefehlt und Probleme mit allgemeinen, alltäglichen Vertriebsschwierigkeiten, die in der heutigen Zeit nicht mehr akzeptabel sind, haben uns dann letztendlich zu dieser Entscheidung gebracht. Wir führen die Marke aber nach wie vor noch im kleinen Stil weiter. Ersetzt haben wir diese „Lücke“ ausnahmslos durch die Firma Stadler, die wirklich erstklassige Produkte im hochwertigen Gore-Tex-Bekleidungssegment anbietet.

Sie haben über 2000 Helme in der Moto-Thek vorrätig. Welche technischen Neuheiten gab es in diesem Segment? Wohin entwickeln sich die Freisprechanlangen? Welche Helmneuheiten haben sich am besten verkauft?

Auch hier wurde dieses Jahr das Rad nicht neu erfunden. In der Sporthelm-Fraktion und bei der Jugend wird sehr oft auch „Design“ gekauft. Der neue Helm muss auch „geil“ aussehen. Hier setzen Marken wie HJC und Shark die Maßstäbe. Shark versetzt dem coolen Helm-Style dann noch eine grüne LED-Beleuchtung und der nächtliche Eyecatcher ist perfekt. Sowas spricht die jungen Motorradfahrer an. Die Firma Schuberth brachte mit ihrem neuen Jet Helm „Metropolitan1“ einen Helm auf den Markt, der sich mit flexiblen Umbau- und Ausstattungsvarianten immer perfekt an die wechselnden Bedürfnisse der Fahrer und Fahrerinnen anpasst und mehr das Klientel im gesetzteren Alter anspricht. Aus einem hochwertigen Touren-Jet-Helm mit Visier und Sonnenblende wird ruck-zuck ein stylischer Café-Racer Helm. Auch hier lieben die Kunden die Flexibilität. Bin ich auf großer Tour oder fahr ich nur mal schnell zur Eisdiele ums Eck - der Helm passt immer perfekt zum Lifestyle. Auch bei den Sprechanlagen hat Schuberth hier sehr gute Arbeit geleistet, in dem sich das passende SRC-Kommunikationssystem auch noch nachträglich perfekt in den Helm einbauen lässt. Alles was man braucht, ist bereits im Helm verbaut und vorinstalliert und dank plug & play kann es mit dem entsprechenden Einbaumodul gleich und ohne Aufwand losgehen. Hier sehe ich starkes Potenzial. Die Kunden sind oftmals mit Einbau und Konfiguration der Helmsprechanlagen überfordert. Selbstverständlich übernehmen wir diese Dienstleistung und bauen die Sprecheinlagen komplett in deren Helme ein und erklären die Funktionen. Aber saubere und einfachere Lösungen wie z.B. die von Schuberth überzeugen auch die Kunden und wenn sie gut und einfach funktionieren, dann dürfen sie auch etwas kosten.

Dank angesagter Modelle wie der Ducati Scrambler oder der BMW R nineT eröffnet sich gerade ein neuer Markt. Spüren Sie diesen Trend zur Retro-Optik in Ihrem Geschäft und profitiert auch der Bekleidungsbereich davon?

Wir spüren den Trend durchaus, aber bei weitem noch verhaltener, als diesen manche Lieferanten prophezeien. Auf den Vororder-Veranstaltungen dieses Jahr werden wir überhäuft mit Angeboten an Scrambler-Lederjacken und Retro-Helmen. Man könnte meinen, es gäbe nichts anderes mehr. Ja, da passiert schon was im kommenden Jahr, aber ich werde mit Sicherheit keine 10 verschiedene Oldschool-Lederjacken ins Sortiment aufnehmen. 3 bis 4 stylische Modelle, diese sorgfältig ausgewählt und gut sortiert werden unseren Bedarf vorerst abdecken. Da geh ich eher vorsichtig ran und bestelle bei Bedarf etwas nach.

Vor zwei Jahren hat der Trend der Motorradjeans auf dem Markt Einzug gehalten. Was sind die Gründe für den Erfolg dieser Warengruppe?

Es sind mehrere. Zum Einen - und ich glaube für die meisten Kunden ist das immer noch das wichtigste Kaufkriterium - ist die Jeans relativ sicher geworden. Punkt. Durch die Verwendung verschiedener Hightech-Fasern und entsprechend guter Protektoren stehen manche dieser Jeans-Motorradhosen in puncto Sicherheit und Abriebwerten einer Textilhose im mittleren Preissegment mitunter in nichts nach. Das überzeugt. Zum Anderen geht der Motorradfahrer ja allgemein zur sommerlich-leichten Zweit-Ausrüstung über und gerade hier können wir jetzt auch viel mit der Jeans abdecken. Obendrein schaut das Ganze dann auch noch cool aus. That´s it. Die absoluten Trendsetter waren hier bestimmt die 2 Firmeninhaber des Schweizer Labels „ROKKER“. Deren Idee und Ehrgeiz, eine Jeans zu entwickeln, die zum Einen auf einer Harley cool aussieht und zum Anderen aber trotzdem sicher ist, hat diesen Hype ins Rollen gebracht. Die Rokker-Jeans gab´s schon vor etlichen Jahren, sie waren aber zu Beginn ausschließlich in speziellen Harley-Läden zu finden und das ganze war/ist dann auch noch sehr hochpreisig. Von daher kein „Massenprodukt“. Aber nun, seit die Jeans als Alternative zur Textil- oder Lederhose erkannt wurde und jeder Lieferant mehrere Jeansmodelle in seinem Portfolio anbietet, trifft dieser Trend den Nerv der Kunden, vom Harley-Fahrer bis zum Ehepaar auf der Vespa. Die anrollende Scrambler-Welle wird diesem Trend mit Sicherheit nochmal eins draufsetzen. Sportfahrer und Enduristen bleiben allerdings ihrer Lederkombi oder ihrer Offroad-Ausrüstung treu. Diese Klientel interessiert sich für die Jeans eher weniger. Mittlerweile bietet wirklich jeder Bekleidungslieferant mehrere Modelle in unterschiedlichen Preisklassen und Ausstattungen an. Wir haben alleine 6 verschiedene Modelle zwischen 99 und 459 Euro im Sortiment, um allen Ansprüchen gerecht zu werden.

Der Frauenanteil wächst bei Ihrer Kundschaft kontinuierlich. Wie hoch ist er inzwischen? Frauen kaufen nach anderen Gesichtspunkten. Werden die Bedürfnisse der weiblichen Kundschaft vom Hersteller in allen Bereichen abgedeckt?

Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, dass der Frauenanteil unserer Kundschaft bei knapp 40 Prozent liegt. Es sind ja nicht nur die selbstfahrenden Frauen, es sind ja auch die vielen Sozias, die wir mit der passenden Bekleidung ausstatten. Und genau hier liegt der Knackpunkt! In erster Linie muss die Bekleidung passen. Die Zeiten schlecht sitzender Bekleidung für Frauen sind aber schon lange vorbei. Unsere Lieferanten haben sich extrem an die Bedürfnisse der weiblichen Kundschaft angepasst und bieten eine riesige Vielfalt in allen Bereichen an. Hier kann sich „Frau“ (sei es die Kundin oder ich als Einkäuferin) schon richtig austoben, wenn sie will. Meiner Meinung nach kaufen aber nicht die Frauen heute nach anderen Gesichtspunkten, sondern die Männer haben ihre Einstellung geändert. Für die Frauen war es schon immer wichtig, Sicherheit, Passform und Optik miteinander zu verbinden. Das ist und war noch nie anders. Wo allerdings früher in der Männerwelt die Optik mal gerne auf der Strecke blieb und die „olle“ braune Lederhose mit der 15 Jahre alten lila Textiljacke kombiniert wurde („Hauptsache es erfüllt seinen Zweck“), stehen sich Männer und Frauen bei der Kontrolle vorm Spiegel heutzutage in nichts mehr nach. Das passt!

Gerade beim Kauf von Sicherheitskleidung sind professionelle Beratung und exakte Anprobe unabdingbar. Doch es gibt auch Onlineportale wie FC-Moto, die per Internethandel Markenware verramschen. Die Kernkompetenz liegt jedoch beim Händler. Wo liegen Ihre Stärken gegenüber dem Internethandel?

Die Stärke des Fachhandels liegt natürlich in der kompetenten Beratung und darin, dass der Kunde alles vor Ort anprobieren kann. Eine Motorradausrüstung kauft man ja nun nicht alle Tage und da stehen auch die interessierten Kunden erstmal vor einer Masse an Angeboten, in der sie sich zurechtfinden müssen. Deswegen haben die spezialisierten Fachgeschäfte mit kompetentem Beratungspersonal nach wie vor einen hohen Stellenwert auf dem Bekleidungsmarkt. Hier wird aber neben den großen Ketten über kurz oder lang nur der bestehen können, der seinen Job richtig macht. Große Läden, gute Auswahl und kompetente Beratung sind das A und O. Kleine Hinterhofläden oder die lieblose Bekleidungsecke neben der Werkstatt haben verloren. Seit mehreren Jahren trennt sich hier schon die Spreu vom Weizen. Unsere Kunden finden es richtig toll, dass sie ein Fachgeschäft unserer Qualität im Umkreis haben, zu dem sie direkt hinfahren, ihre Ausrüstung auch anprobieren und gleich kaufen können. Der persönliche Kontakt ist hier sehr wichtig. Wir haben extrem viel Stammkundschaft. Aber natürlich kauft auch unser Kunde im Internet. Das ist doch oftmals viel bequemer. Cool ist es doch dann, wenn unser Offline-Stammkunde sein Ersatzvisier nicht bei einem der großen Online-Händler in Norddeutschland oder einer der Ketten kauft, sondern direkt in unserem hauseigenen Online-Shop bestellt. Denn auch hier kann man „seine“ Kunden an sich binden und somit ist das Internet auch eine Chance, den veränderten Einkaufsbedürfnissen der eigenen Kundschaft gerecht zu werden. Aber auch wir hier im wunderschönen Schwarzwald können und wollen in die große weite Welt liefern, sind online sehr aktiv und verkaufen unsere Ware weltweit über verschiedene Shops. Doch speziell in dem extrem hart umkämpften Online-Handel wird auch nur der Erfolg haben können, der es richtig macht. Entweder man muss sich eine Nische suchen oder richtig groß und professionell in allen Bereichen auftreten, mit den richtigen Mitarbeitern (die starke Nerven brauchen), dem richtigen Hardware- und Software-Equipment inkl. einer guten Warenwirtschaft. Restposten werden nach wie vor „verramscht“. Von jedem und das kann und wird man nicht aufhalten. Da ist das Internet aber auch für uns ein wichtiger Absatzkanal, Lagerüberhänge schneller ab zu verkaufen, als das im Laden möglich wäre. Viel wichtiger ist es aber, aktuelle Markenware preisstabil verkaufen zu können. Die wirklichen „Verramscher“ sind heutzutage nicht mehr die „Großen“ wie ein FC-Moto. Die abwechselnd und kontinuierlich im Wettstreit beworbenen Prozent-Aktionen der großen Ketten und vermeintlichen Fachhändler, die meinen, mit einer Hau-Ruck-Aktion kurz aufzumucken, um Kapital flüssig zu machen und dann die Preise für Markenprodukte tot treten, sind da weit aus nerviger und bringen viel Unruhe in den Markt.

Wie bereiten Sie sich auf die neue Saison vor und was erwarten Sie? Worauf lag der Fokus bei der Auswahl der neuen Order und was sind die vielversprechendsten Produkte für 2016?

Wir stecken gerade richtig in der Vororder-Zeit und mein Mann und ich bestellen zusammen die Kollektion für 2016. Wir werden dieses Jahr unser Augenmerk bei der Produktauswahl sehr auf die teils extremen Preiserhöhungen verschiedener Lieferanten richten. Da sind teilweise gravierende Sprünge bis zu 20 Prozent auf bestehende Produkte zu verzeichnen und da gilt es schon, sich die Frage zu stellen, ob sich ein Artikel, der letztes Jahr gut lief, bei solch einer Preissteigerung überhaupt noch verkaufen lässt. So sind z.B. die Preiserhöhungen bei einem unserer Hauptlieferanten, der Firma iXS, über das gesamte Sortiment verteilt eher moderat, bei den meisten Helmanbietern ist es ähnlich. Andere Komplettausstatter wie z.B. die Firma Held oder Büse erhöhen ihre Preise um bis zu 15 Prozent - mit der Begründung der stark angestiegenen Produktionskosten aufgrund des schwachen Euros. Hier werde ich sehr vehement vergleichen und abwägen. Man wird sehen müssen, in wie weit der Kunde die Preiserhöhungen akzeptiert. Ich denke, der Trend wird unverändert in Richtung funktionelle 3-1-Bekleidung und die legere Zweit-Ausrüstung gehen. Auf die neue Airbag-Lederkombi von Dainese sind wir sehr gespannt, da nun endlich ein Produkt auf den Markt kommt, welches auch für den „Otto-Normal-Sportfahrer“ erschwinglich ist. Ich hoffe im Allgemeinen wieder auf ein besseres Lederkombi-Jahr, blicke aber grundsätzlich (wie immer) sehr zuversichtlich und optimistisch in die neue Saison.

Frau Wyskiel, wir danken Ihnen für das Gespräch.

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